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Der Kampf um den Schutz der Identität

FreiSein durch die freie Entscheidung gegen die Digitale ID

 

Von den Regierenden gewollt, von den Datenschützern kritisch betrachtet, von Aktivisten bekämpft: Die digitale Identität ist längst zu einem Teil unserer Lebensrealität geworden. Dieser Prozess ist schon seit vielen Jahrzehnten schleichend passiert. Wir wurden Schritt für Schritt darauf vorbereitet, ja quasi trainiert, sogar konditioniert.
Mit dem Internet wurde vor mehr als 30 Jahren ein Menschheitstraum Wirklichkeit: die digitale Vernetzung der ganzen Welt. Was als Segen verstanden sein wollte, brachte den allem innewohnenden Fluch mit sich. Bloß dass es dem Menschen grundsätzlich frei steht, welche Seite von neuen Entwicklungen er bevorzugt nutzt. Mit der immer weiter voranschreitenden Verkleinerung digitaler Endgeräte, der Erfindung von Laptop, Tablet und Smart Phone wurde das Leben scheinbar bequemer. Doch das intelligente Telefon dient auch dem Kapitalismus und der Überwachung. Unter dem Deckmantel von Sicherheit sind dessen Nutzer gerne bereit, ihre eigene Identität zur Verfügung zu stellen und sich dem Traum vom „gläsernen Menschen“ unterzuordnen. Waren es zuerst PIN-Codes, dann Fingerprint und Zwei-Faktor-Authentifizierung sowie Gesichtserkennung, um das kleine Ding freizuschalten, so sind es nur noch ein paar Schritte, bis der Iris-Scan zum state of the art wird. Science-Fiction-Storys und -Filme haben uns darauf vorbereitet, ihre Dystopien sind gerade dabei, sich in vollem Umfang zu verwirklichen.

Die in Österreich seit kurzem im Vollbetrieb befindliche Digitale ID ist da nur ein Baustein, aber ein entscheidender, um den Bürger zu einem kontrollierbaren Wesen zu machen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, auch wenn sie sich im Moment „nur“ auf bestimmte Bereiche beschränken. Die Handysignatur als Vorläufer dieser Technik hat gerade ausgedient. Sie ermöglichte digitale Behördengänge ohne lange Wartezeiten, mit ihr konnte man an der Unterzeichnung von Volksbegehren teilnehmen oder Gebühren bei Amtswegen einsparen sowie Dokumente rechtsgültig elektronisch unterschreiben. Nunmehr ist sie also endgültig Geschichte und wurde von der ID Austria mit Basis- oder Vollfunktion abgelöst.

Alle gültigen Handysignaturen werden nach Ablauf automatisch auf die Basisfunktion der digitalen ID umgestellt. Empfohlen wird, auf den Umstieg nicht so lange zu warten und aktiv gleich selbst auf die Vollfunktion, aus der ein „Downgrade“ auf Basis dann nicht mehr möglich ist, umzusteigen. Denn – so die im Internet abrufbaren Informationen, die sich gleich an mehreren Stellen, etwa auf den Seiten des Innenministeriums oder von A-Trust, befinden – bestimmte Services werden zukünftig nur noch auf diese Weise nutzbar sein. Dort wird das Tool einerseits intensiv beworben, andererseits Druck auf den Bürger aufgebaut. Und auch für jene, die kein Smartphone besitzen, gibt es technische Möglichkeiten, dieses Werkzeug zu nutzen. Schließlich sollen ja alle in den Genuss von Komfort und vor allem Sicherheit kommen.

Die Datenschutzorganisation epicenter.work ist in dieser Materie eine Mahnerin der ersten Stunde. Auf deren Internetseiten finden sich eine Fülle an Informationen, auch zur ID Austria. Eine der wichtigsten Forderungen der Datenschützer ist die Freiwilligkeit der Nutzung dieses Systems. Dazu heißt es: „Alle Bürger:innen und Bewohner:innen eines Landes haben das Recht, eine digitale Identität kostenlos zu erhalten. Die Nutzung der DPI ist freiwillig und horizontale Verpflichtungen schützen Personen, die das System nicht nutzen, vor Ausgrenzung, Verweigerung von Waren oder Dienstleistungen oder Benachteiligung im privaten oder öffentlichen Sektor.“

Weitere Forderungen sind u.a., dass persönliche Informationen nur mit der Zustimmung des Betreffenden erhoben und weitergegeben werden dürfen; Zero-Knowledge-Proofs und Unlinkability müssen vor Tracking und Profiling schützen, es darf keinen dauerhaften einmaligen Identifikator geben; biometrische Informationen (Fingerabdruck, Gesichtserkennung, Irisscan) dürfen nicht als Voraussetzung für die Nutzung verlangt und auch nicht auf einer Cloud gespeichert werden.

Dass diese Anliegen zwar logisch klingen, aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind, hat vor einigen Wochen die Liste Madeleine Petrovic (LMP) publik gemacht. Seit 1.3.25 sind Lehrer der weiterführenden höheren Schulen verpflichtet, für ihre Identifizierung in den bürokratischen Systemen die ID Austria anzuwenden. Mit einer Petition versuchte die Liste gegen diese Verpflichtung vorzugehen, die Unterschriften von 4.500 Unterstützern wurde am 27.2.25 an die Verantwortlichen im Bildungsministerium übergeben. Darin wird vor allem die freiwillige Nutzungsmöglichkeit gefordert. Diesem Protest haben sich auch die Partei MFG und der parteifreie Lehrerverein Salzburgs SALVE angeschlossen und eine gemeinsame Informationsveranstaltung abgehalten. Wichtige Teile dieses Events können im Youtube-Kanal von LMP nachgeschaut werden.

Wenn man nun alle Lehrer auf die Nutzung der digitalen Identität verpflichtet, so ist das staatlicherseits ein logischer Schritt. Sie sind es ja, die den zukünftig „mündigen“ Menschen bilden, ihn auf das Leben in der Gesellschaft vorbereiten, ihm also die richtige Lebensweise nahebringen. Und da ist es selbstverständlich praktisch, wenn sie die „Vorzüge“ dieses Systems persönlich kennen lernen und dieses den Heranwachsenden eindrücklich vermitteln.

Aber auch außerhalb der Bildungsinstitutionen ist man immer wieder mit der zumindest scheinbaren Notwendigkeit der Anwendung der ID Austria konfrontiert. Angepriesen wird seit geraumer Zeit auch die Bequemlichkeit der „eAusweise“, einer Plattform, auf der alle Ausweise, wie Führerschein, Personalausweis oder Reisepass via App digital verfügbar und auf dem Smartphone daher immer dabei sind.

Beim Ausstellen eines neuen Reisepasses etwa bekommt man automatisch eine digitale Identität zugewiesen, wenn man nicht ausdrücklich widerspricht. Auch diese Vorgangsweise ist höchst problematisch, da sie die so wichtige freie Entscheidung der Bürger untergräbt.

Nachdem den verantwortlichen Politikern und bürokratischen Stellen die geforderte Freiwilligkeit offenbar weiterhin ein Dorn im Auge ist, ist es notwendig, sich dieser digitalen Bloßstellung so gut und so weit wie möglich zu entziehen. Es ist ein Gebot der Stunde, trotz des damit verbundenen Verlusts an Komfort und Bequemlichkeit auf die derzeit immer noch vorhandenen realen Mittel wie Behördengänge, Mobiltelefone ohne Apps und sichere Browser wie Tor oder Brave für den Gang ins Internet zu nutzen und sich gegen alle Maßnahmen zu wehren, die eine Einschränkung dieser freien Entscheidung bewirken. Wenn es in dieser sehr extremen Form nicht möglich ist, weil tatsächlich immer mehr Dienste – wie etwa digitale Bankwege – eine bestimmte Form der Identifizierung fordern, so sollte man sich auf das Notwendigste beschränken, jedenfalls aber jede Form der Erfassung von biometrischen Daten ablehnen.

Letzten Endes liegt es einmal mehr an jedem Einzelnen, an dir und mir, wie sich unsere Zukunft gestaltet. Denn von Menschen erdachte und in die Welt gesetzte Systeme können von Menschen auch wieder geändert oder abgeschafft, auf jeden Fall aber menschlich(er) gestaltet werden.

 

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