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Unsere Persönlichkeitsrechte sind wieder in Gefahr: Messenger-Überwachung

Handy, Überwachung

FreiSein durch Ablehnung der Messenger-Überwachung

 

Die Fiktionen dystopischer Standardwerke wie 1984 oder Fahrenheit 451 scheinen Schritt für Schritt wahr zu werden. Ist es Selbstvergessenheit oder gar Berechnung, dass man uns Bürger unter dem Deckmantel der Sicherheit rund um die Uhr überwachen will? Was ist aus der Vision eines freien unzensierten Internets geworden, und was können wir tun, um unsere digitale Freiheit wieder zu erlangen? Oder ist letzteres gar nur Schimäre?

Zuletzt haben die Bemühungen der Regierenden in Österreich, aber auch anderer europäischer Staaten und der EU-Kommission, um die Einführung von Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der Bürger wieder Fahrt aufgenommen. Der österreichische ÖVP-Innenminister Gerhard Karner hat gemeinsam mit seinem SPÖ-Staatssekretär für Staatsschutz Jörg Leichtfried nach einer kürzlich abgehaltenen Regierungsklausur das nunmehr als „Gefährderüberwachung“ bezeichnete Vorhaben einer Messengerüberwachung vorgestellt. Die Idee ist nicht neu, sie schlummert schon lange in den Köpfen der für innere Sicherheit zuständigen Ministerien und Behörden (Unsere ZeitenWende berichtete) und soll vor allem dazu dienen, Terrorangriffe zu verhindern und so genannten „Gefährdern“ das Handwerk zu legen. Grund für die Überlegungen der Regierung war ein vor 5 Jahren getroffener Entscheid des Verfassungsgerichtshofes, in dem eine „unspezifische Überwachung“ als verfassungswidrig eingestuft wurde, womit die Pläne damals ad acta gelegt wurden. Im nunmehr fünften Versuch seit 2016 (die bisherigen vier Versuche scheiterten) geht man davon aus, dass mit neuerer Überwachungssoftware viel „zugespitzter“ und damit verfassungskonform vorgegangen werden kann. Bei der Präsentation des Vorhabens im Rahmen eines Pressebriefings (die Aufzeichnung ist auf den Seiten des ORF noch bis 7.5.25 abrufbar) blieb der Innenminister einsilbig. Er betonte dabei gebetsmühlenartig, dass es sich dabei bloß um Einzelfallüberwachung unter Einbeziehung eines Datenschutzbeauftragten und eines Richters am Bundesverwaltungsgericht handle, dass dies der nötigen Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung diene und dass man sich erst nach dem Vorliegen aller Stellungnahmen und dem anschließenden Gesetzesbeschluss für eine dafür notwendige Software entscheiden werde. Auch in der Regierung herrscht noch keine vollständige Einigkeit, die NEOS haben Bedenken, allerdings sind sie für die Entscheidung nicht unbedingt notwenig, da ÖVP und SPÖ auch ohne sie eine Mehrheit im Parlament haben.

Auf den Weg gebracht wurden zur Umsetzung dieser Maßnahme nun Novellen zum Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz, dem Sicherheitspolizeigesetz, dem Telekommunikationsgesetz 2021, dem Bundesverwaltungsgerichtsgesetz und zum Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz mit einer für sonstige Verhältnisse langen Begutachtungszeit von 8 Wochen. Im Rahmen dieser parlamentarischen Begutachtungsfrist können sowohl Experten als auch jeder Bürger seine Bedenken äußern. Dazu ist auf der Internetpräsenz des Parlaments eine Seite eingerichtet, auf der Stellungnahmen abgegeben werden können.

Die schon seit Vorliegen von Plänen zur Messenger-Überwachung kritische Betrachtung von Datenschutzorganisationen wie epicenter.works und digitalcourage.de sowie der Chefin des Messenger-Dienstes Signal, Meredith Whittaker, in einem ZiB 2-Interview aus dem Mai des Vorjahres haben diese Beschwichtigungsversuche der Verantwortlichen keinen Abbruch getan. In einem aktuellen Beitrag vom 8.4. wird diese Kritik auf den Seiten von epicenter.works unter dem Titel „Bundestrojaner führt zur Massengefährdung der Bevölkerung“ erneuert und ausgebaut.

Die hier ins Treffen geführten Bedenken können wie folgt zusammengefasst werden:

Epicenter.works hat unter der Domain bundestrojaner.at eine Petition verfasst, die man, wenn man diese Bedenken teilt, dort unterstützen kann. Bislang (Stand 3.5.25) haben sich an der Petition allerdings nur 2055 Menschen beteiligt, im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens wurden bislang bloß 21(!) Stellungnahmen abgegeben.

Dafür werden höchstwahrscheinlich verschiedene Gründe vorliegen, so etwa die Ansicht, dass man „eh nichts zu verbergen“ habe, dass es wichtig ist, der „wachsenden Terrorgefahr“ zu begegnen, dass man wissen muss, dass man im Internet „sowieso an allen Ecken und Enden überwacht“ wird oder dass man ganz einfach wichtigere Probleme hat. Daran wird wohl auch eine diesbezügliche Initiative, die unter anderem von der deutschen Schriftstellerin Juli Zeh gegründet wurde, gescheitert sein. Die von ihr und anderen in die Welt gesetzte Genossenschaft „pEp“ (pretty Easy privacy) ist sanft entschlafen. Übrig geblieben ist eine E-Mail-App für Desktop PCs sowie Smartphones und Tablets, die elektronische Nachrichten automatisch End-zu-End-verschlüsselt. Diese Technologie wenden auch Messengerdienste an, als vorbildlich gelten hier vor allem Signal und Telegram.

Zuletzt gab es Aufsehen um die Verhaftung von Telegram-Gründer Pavel Durov in Frankreich, weil man ihm vorwarf, seinen Messengerdienst nicht ausreichend zu moderieren bzw. zu „überwachen“ und damit zum Tummelplatz für Verbrecher und Terroristen zu machen. Dieser ist mittlerweile zwar wieder auf freiem Fuß, warnt aber in einer kürzlich auf seinem Kanal veröffentlichten Nachricht vor der Umsetzung von Maßnahmen zur Messengerüberwachung, u.a. mit folgenden Worten: „Because it’s technically impossible to guarantee that only the police can access a backdoor. Once introduced, a backdoor can be exploited by other parties — from foreign agents to hackers. As a result, the private messages of all law abiding citizens can get compromised.“ (deutsche Übersetzung: „Denn es ist technisch unmöglich zu garantieren, dass nur die Polizei Zugang zu einer Hintertür hat. Einmal eingeführt, kann eine Hintertür von anderen Beteiligten ausgenutzt werden – von ausländischen Agenten bis hin zu Hackern. Infolgedessen können die privaten Nachrichten aller gesetzestreuen Bürger bloßgestellt werden.“)

Die nun neuerlich geplante Überwachung der Messengerdienste stellt einen massiven und nicht mehr umkehrbaren Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte aller Menschen dar. Daher ist es dringend geboten, sich zu dieser Maßnahme eine Meinung zu bilden und sich dazu auch zu äußern. Denn auch hier gilt der juristische Grundsatz „Wer schweigt, scheint zuzustimmen“. All jene, die sich den Argumenten der Kritiker anschließen wollen, sei dringend ans Herz gelegt, dies auch im Rahmen der Petition oder einer persönlichen Stellungnahme zu tun. Von einem einfachen „Ich lehne diese Novellen ab“ bis zu einer differenzierten und detaillierten Rückmeldung auf Basis der weiter oben dargestellten Argumentation ist dabei alles möglich.

zur Petition „Grundrechte schützen – Bundestrojaner stoppen!“
hier Stellungnahme zu Ministerialentwurf abgeben

 

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