FreiSein mit eigener Entscheidung für Lebensmittel-Inhaltsstoffe
Eigentlich möchte ich mich nicht mit kleinen Krabbeltierchen beschäftigen. Schon gar nicht will ich sie in mein Essen gemischt bekommen. Das jedoch ist nun erlaubt – die EU hat die Sortimentserweiterung dieser sogenannten „neuartigen Lebensmittel“ bestätigt.
Die gute Nachricht: Sie müssen auf der Verpackung gekennzeichnet sein!
Die schlechte Nachricht: Einige solcher Zusatzstoffe verzehren wir bereits seit Jahrzehnten ohne es zu wissen. Dieser Beitrag soll Aufklärung und Auswege bieten.
Warum Novel Food?
Auf der Website der Arbeiterkammer heißt es beruhigend: „Da die Herstellung sehr aufwändig und teuer ist, ist unwahrscheinlich, dass Unternehmen Insekten in der Massenproduktion einsetzen.“ Laut Kurier warten jedoch bereits Nestlé und Danone auf einen offeneren Umgang mit diesen „Eiweißquellen für die Zukunft“.
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen bezeichnet Insekten als „eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit hohem Fett-, Protein-, Vitamin-, Faser- und Mineralstoffgehalt“. „Daher sind sie eine alternative Proteinquelle, die den Übergang zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung erleichtern soll. Aufgrund der steigenden Kosten für tierisches Eiweiß, der unsicheren Ernährungslage, der Umweltbelastungen, des Bevölkerungswachstums und der zunehmenden Nachfrage nach Eiweiß in der Mittelschicht müssen alternative Lösungen zur konventionellen Tierhaltung gefunden werden.“ (kvg) Diese Argumentation zeigt wohl, wohin der „Übergang“ führen soll.
Dabei sind diese „krabbeligen Köstlichkeiten“ alles andere als gesund für Mensch und Tier, wie eine Studie zeigt: „Essbare Insekten sind ein unterschätztes Reservoir menschlicher und tierischer Parasiten“.
„Novel Food“ muss „sicher für Verbraucher“ sein, um überhaupt eine Zulassung zu erhalten. Es sind allerdings keine der angeblich umfangreichen Tests bzw. Studien abrufbar. Wir müssen also vertrauen – oder achtsamer einkaufen als zuvor.
Kennzeichnungspflicht
Alle zugelassenen Insekten in Lebensmitteln müssen in der Zutatenliste inklusive Verarbeitungsform auf der Verpackung ausgewiesen sein – in lateinischer und deutscher Sprache, um „die Verbraucher nicht in die Irre zu führen“, wie es in den EU-Grundprinzipien für solches „Novel Food“ heißt. Dem aufmerksamen Konsumenten wird die Hausgrille im Essen also nicht entgehen.
Versteckter sind jene Zusatzstoffe, die man uns bereits seit langem heimlich untermischt. Zu achten ist dabei auf den Zutaten-Hinweis Karmin (E120), bei dem es sich um einen roten Farbstoff handelt, der etwa in Süßigkeiten, „Erdbeer“-Joghurts, aber auch in Wurst gelegentlich vorkommt. Ebenso stammt Schellack (E904), das Lebensmittel hübsch glänzen lässt, aus einer Quelle, auf die wir gern verzichten. Es kann etwa in Süßigkeiten oder Nahrungsergänzungsmitteln vorhanden sein und sogar Früchten als Überzug dienen.
Unerwünschte Zutaten können sich u.a. auch in Brot, Backwaren, Pizza oder Pasta verbergen, und seit kurzem dürfen mit UV-Licht behandelte gelbe Mehlwürmer „mehr Vitamin D“ in unsere Lebensmittel bringen.
Auch diese Zusatzstoffe müssen „klar und verständlich“, jedoch nur auf der Rückseite der Verpackung aufgeführt werden. Das Insekt muss „als Zutat“ angegeben werden. Fraglich ist, wie es um bereits vorverarbeitete Beimischungen steht.
Hellhörig sollte man daher auch werden, wenn die Inhaltsstoffe etwa Proteinextrakt oder -mischung oder „durch UV-Behandlung erzeugtes Vitamin D“ enthalten. Sie dürfen auch in Fleischersatzprodukten verwendet werden, aber nicht als vegetarisch oder vegan gekennzeichnet werden.
Achtung ist ebenfalls geboten, wenn der Allergiehinweis die Worte „Krebs- und Weichtiere“ sowie „Hausstaubmilbe“ enthält.
Da es neuartige Lebensmittel bisher nicht explizit in die Allergenkennzeichnungsverordnung geschafft haben, ist die Kennzeichnungspflicht in Restaurants fraglich – im Zweifelsfall lieber nachfragen.
Was können wir tun?
Wer diese neuen Zutaten vermeiden möchte, sollte auf große Hersteller und Fertigprodukte möglichst verzichten, eher zu vertrauenswürdigen Bio-Marken greifen und den regionalen Bauern und Bäcker aufsuchen.
Und wer auf Nummer sicher gehen will, sollte seine Lieblingsmarke direkt anschreiben und um diesbezügliche schriftliche Stellungnahme ersuchen. Hier ist keine Antwort dann wohl auch eine Antwort.
Seine Stimme zu nutzen, hilft: Ferrero verzichtet mittlerweile bei seinen Kinder Schoko-Bons auf eine Schellack-Glasur!
„Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass wir sehr wohl Möglichkeiten haben, als Konsumenten einen Stimmzettel abzugeben. Dabei sollten wir daran denken, dass erst die Summe der Konsumenten, die ihr Einkaufsverhalten ändern, einen Kurswechsel bewirkt. Wenn aber viele von uns mitmachen, dann können sich daraus Veränderungen ergeben, und die Karten zwischen mächtigen Großkonzernen und kleineren, regionalen Produzenten werden neu gemischt.*“ (Clemens Arvay)
Italien verbietet bereits die Beimischung von Inskektenmehl in der traditionellen Küche. Italienische Pizza und Pasta bleibt also trotz der EU-Verordnung weiterhin insektenfrei, während unsere klassische Schnitzelpanier inhaltlich scheinbar flexibler ist. Auch Ungarn stellt sich mit einer separaten Kennzeichnungspflicht gegen die erweiterte Konsumentenerniedrigung.
Eine ausführliche Broschüre zu Insekten in Lebensmitteln ist kostenfrei hier erhältlich: https://mailchi.mp/6c9eff926d4e/insekten
Die E-Nummern-Broschüre der AK gibt es hier zum Download: https://ooe.arbeiterkammer.at/service/broschuerenundratgeber/konsumentenschutz/B_2023_E-Nummern_bei_Lebensmitteln.pdf.
Quellen:
Arbeiterkammer: https://ooe.arbeiterkammer.at/beratung/konsumentenschutz/ernaehrung/Lebensmittel-_Insekten_auf_Zutatenliste.html
Europäische Kommission: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/insekten-lebensmitteln-die-fakten-2023-01-19_de
und: https://food.ec.europa.eu/food-safety/novel-food_en
kvg Verbrauchergesundheit: https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/Lebensmittel/neuartige_lm/Insekten_als_Lebensmittel.html
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/702934/italien-verbietet-insektenmehl-in-seiner-pizza-und-pasta
A parasitological evaluation of edible insects and their role in the transmission of parasitic diseases to humans and animals: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0219303
Kurier vom 8.2.25: https://kurier.at/politik/ausland/mehlwurm-brot-eu-eu-kommission-durchfuehrungsverordnung-proteine-vitamin-d-nutriearth/403007934
* Arvay, Clemens G.: Wir können es besser – Wie Umweltzerstörung die Corona-Pandemie auslöste und warum ökologische Medizin unsere Rettung ist; Quadriga, 2020