FreiSein durch einen gemeinwohlorientierten Staatshaushalt
In den letzten Wochen war viel vom Geld die Rede; wie überhaupt sehr viel vom Geld geredet wird, schon seit Jahren, sowohl im Privaten als auch im Öffentlichen. In diesem Beitrag möchte ich vor allem auf letzteres eingehen, nämlich auf die Diskussion zum Budget, das gerne als in Zahlen gegossene Politik bezeichnet wird.
In diesem Zusammenhang stellen sich einige wesentliche Fragen:
Warum muss ein Staat sparen, warum darf er sich nicht zum Wohl seiner Bürger verschulden? Und: Ist unser aktuelles Wirtschaftssystem – das weder natur- noch gottgegeben ist – nicht unnatürlich und sogar unmenschlich?
Tatsächlich sind Geld- und Wirtschaftssystem, wie wir sie heute kennen und leben, von Menschen erdacht und gemacht. Beide Ordnungen erzeugen künstlichen Mangel, obwohl sie von Haus aus aus dem Vollen schöpfen. Geld wird aus Luft gemacht, kommt als Kredit oder Darlehen in Umlauf und wird irgendwann wieder gelöscht, wenn es – allerdings mit Zinsen – zurückgezahlt wird.
Und da haben wir schon einige der Kardinalfehler am Silbertablett serviert bekommen: Zum einen ist die Geldschöpfung nämlich nicht in der Hand der Bürger, sondern in der Hand von Banken; zum anderen kommt es nur als mit Zins- und Zinseszins belastete Leihe in Umlauf, was bedeutet, dass es immer mehr Geld braucht, weil ja die Schuld sonst nicht getilgt werden kann. Daher muss unsere Wirtschaft immer wachsen. Und dann gibt es auch noch die Idee, Geld arbeiten zu lassen; das heißt, es besteht die Möglichkeit, Geld aus dem Umlauf zu ziehen und es irgendwo zu deponieren, wo es dann Rendite abwirft. Dieses Geld aber fehlt an anderen Ecken und verstärkt den Mangel, den jene spüren, die für ihr Angebot keine Kunden finden oder für ihre Arbeit einen Hungerlohn bekommen.
Immer schon haben sich Menschen Gedanken gemacht, wie man dieses Problem lösen kann. Daraus sind eine ganze Menge toller Ideen entstanden, von der Umwandlung des Systems in ein demokratisches, also vom Demos, dem Volk verwaltetes, über eine Anleihe bei der Gestaltung desselben an der Natur, wo Fülle und Überfluss regieren, bis hin zu gemeinwohlorientierten Formen des neutralisierten Tauschhandels. Denn dafür wurde Geld tatsächlich in die Welt gesetzt; es sollte die Möglichkeit schaffen, dass man nicht direkt tauschen musste, sondern für eine Leistung oder eine Ware eine entsprechende neutrale Gegenleistung (die Muschel, die Münze, den Geldschein) bekam, die man an anderer passender Stelle ausgeben konnte.
So viel mal dazu – für heute. Denn ich will mich nun der Staatsverschuldung widmen.
Dazu ein paar Beispiele: Japan ist trotz einer Staatsverschuldung von 250 % immer noch nicht bankrott. Österreich droht ein von der EU auferlegtes Defizitverfahren, weil die Staatsverschuldung über 60 % des BIP zu steigen droht. Auch Griechenland war zwar 2010 mit einer Verschuldung von 143 % am Rande der Staatsinsolvenz, in den Coronajahren, in denen der Schuldenstand auf 210 % stieg, war das aber kein Problem.
Die einfache Antwort: Alles nur eine Frage der Regeln, die – wie schon weiter oben angeführt – menschengemacht, also weder gottgegeben noch naturimmanent, sind.
Hier nun eine detaillierte Erklärung:
Zum einen gibt es in der EU willkürlich festgelegte Defizitgrenzen, die noch dazu mit dem Bruttoinlandsprodukt, dem BIP, in Verbindung gesetzt werden. Gemäß der so genannten Maastricht-Kriterien darf die jährliche Neuverschuldung nicht mehr als 3 % des BIP betragen und die Staatsschulden insgesamt 60 % des BIP nicht übersteigen. Zum anderen planen Betriebswirtschafter Staatshaushalte und Budgets und wenden die Regeln dieser Wissenschaft an, während Volkswirtschafter außen vor bleiben. Wobei es auch hier unterschiedliche Zugänge bei der Betrachtung von Budgetdefiziten gibt.
Machen wir uns nun ein wenig schlau, was den Blick auf Spielräume im aktuellen Geld- und Wirtschaftssystem betrifft. Im Weiteren folge ich den Ausführungen des Volkswirtschafters Dr. Dirk Ehnts auf den Seiten der deutschen Bundeszentrale für Politische Bildung. Gemäß der Modern Monetary Theory (MMT) müssen Staaten nicht – wie landläufig angenommen – zuerst Geld über Steuern einnehmen oder via Staatsanleihen ausborgen, diese Sichtweise ist im Zeitalter des digital geschöpften Geldes nicht mehr gültig. Denn: Bevor der Staat Einnahmen lukrieren kann, muss er Geld in die Hand nehmen und ausgeben; erst dann können Bürger Steuern zahlen oder Staatsanleihen zeichnen. Schwarze Null, Defizitgrenzen und Schuldenbremse sind demnach als Mittel für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen obsolet. Zwar „erben“ nachfolgende Generationen sowohl Schulden als auch Staatsanleihen sowie das durch Staatsausgaben erzeugte Geld, dies führt aber niemals zu einer Zahlungsunfähigkeit eines Landes.
Die Staatsausgaben sollten daher nicht an irgendwelchen Kriterien gemessen werden, sondern an den Ressourcen eines Staates, nämlich Arbeitskräfte, Rohstoffe, Energie, Güter und Dienstleistungen, etc. Damit entfällt auch das Argument, dass für dringend benötigte Investitionen kein Geld da wäre. In Deutschland wurde auf diese Weise auch das „Sondervermögen Bundeswehr“ auf Schiene gebracht.
Wie erklärt sich nun, dass Griechenland 2010 das Geld ausging und Japan heute nicht in diese Situation kommt? Das liegt ganz einfach an den Maßnahmen der jeweiligen Zentralbanken, die das Geld für Staatsausgaben in der jeweiligen Währung zur Verfügung stellen. Sie bezahlen mit einem „aus der Luft geschaffenen“ Geld quasi alle Rechnungen. Wichtig ist, dass am Ende eines Tages der Saldo auf diesen Konten wieder auf Null ist. Sollte das nicht möglich sein, so kauft die jeweilige Zentralbank eben Staatsanleihen und bringt damit wieder das nötige Geld in Umlauf. Die Europäische Zentralbank (EZB) weigerte sich aber im Fall Griechenlands, diesen Schritt zu setzen; in Japan aber stützt die nationale Zentralbank die Regierung trotz einer Staatsverschuldung von 250 % und ermöglicht so den finanziellen Fortbestand des Staates. In der EU gab es im Rahmen der Covid-19-Pandemie auch keinen einzigen Staatsbankrott. Die EZB garantierte nämlich den uneingeschränkten Ankauf von Staatsanleihen, insgesamt wurden dafür 750 Milliarden Euro an Geld geschaffen. Und so kam auch Griechenland in dieser Zeit nicht nochmals zum Handkuss, obwohl der Schuldenstand im Gegensatz zu den 143 % von 2010 auf diesmal 210 % angestiegen war.
Rein theoretisch betrachtet können die Staatsausgaben also ins Unendliche steigen, in der Praxis wird es sehr wohl davon abhängen, was die Menschen eines Landes dem Staat „zu verkaufen“ bereit sind.
Zu klären ist jetzt noch eine weitere Frage: Warum erhöhen Staatsausgaben auch die Staatseinnahmen?
Wenn der Staat im Inland „kauft“, dann erhöht er damit die Einkommen seiner Bürger. Diese zahlen einen Teil dieser Einnahmen aus einkommensabhängigen Steuern sofort zurück. Ebenso geben sie ihr Geld wieder für im Idealfall im Inland erworbene Güter und Dienstleistungen aus, womit neuerlich Steuereinnahmen für den Staat anfallen. Eine günstige Wirtschaftsprognose kann auch dazu führen, dass die Menschen bereit sind, mehr auszugeben als sie aktuell haben und sich dafür Geld ausborgen, um etwa die Produktion auszuweiten oder sich ein Haus im Grünen zu kaufen. In diesem Fall kann es sogar zu einem Budgetüberschuss kommen.
Staatsausgaben können insofern unbegrenzt getätigt werden, als sie in der eigenen Währung erfolgen. Kippen würde das System dann, wenn die Verschuldung in ausländischer Währung oder in Gold bezahlt werden müsste. Als Beispiel dafür gilt Argentinien, das Staatsanleihen in US-Dollar verkauft hat.
Dirk Ehnts kommt in seinen Ausführungen zur MMT daher zu folgendem Schluss: Nachdem höhere Staatsausgaben steigende Ausgaben des privaten Sektors zur Folge haben, was wieder zu höheren Staatseinnahmen führt, werden auf diese Weise die Staatsverschuldung stabilisiert. Es gibt daher keinen Grund, so Ehnts, „eine vermeintliche ‚Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen‘ als Anlass zu nehmen, die Staatsausgaben zu begrenzen. Die Regierungen sollten besser ihre Ausgaben am Gemeinwohl ausrichten und sich in Bezug auf die Höhe an den vorhandenen Ressourcen orientieren, die sie nachhaltig nutzen können.“
Dieser Ansatz wäre auch einer neuen österreichischen Regierung ans Herz zu legen, was aber dadurch verunmöglicht wird, dass das Land sich als Mitglied der EU deren Regeln, die gemäß MMT kontraproduktiv sind, unterworfen hat.
Um noch einen kurzen Blick über den Tellerrand des bestehenden Systems zu werfen: Sowohl was die Wirtschafts- als auch die Geldpolitik eines Landes betrifft, gibt es auch schon zumindest im Kleinen erprobte alternative Systeme, die ausgehend vom Gemeinwohl Wohlstand für alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes zu schaffen im Stande sind. Diese Geschichte(n) werde ich ein anderes Mal erzählen.