FreiSein für die freie Meinungsäußerung
„Freiheit, die ich meine“ – geflügelte Worte, die aus einem später vertonten Gedicht von Max von Schenkendorff stammen, der als Lyriker der Napoleonischen Kriege bezeichnet wird und im preußisch-russischen Generalstab diente und später Regierungsrat in Koblenz war.
Ja, was ist die Freiheit, wie ich sie meine? Und was ist Freiheit überhaupt? Hier schieden sich immer schon und scheiden sich immer noch die Geister. Eine Fülle von Zitaten belegen die Tatsache, dass Freiheit ein wertvolles aber auch viel diskutiertes Gut ist. In den letzten Jahren mussten wir – bedingt durch zahlreiche Krisen (wie etwa die Covid-19-Zeit oder den 2022 ausgebrochenen Ukraine-Russland-Krieg) und ihre Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft – erkennen, dass es „ka g’mahte Wies’n“ ist, frei zu sein – auch nicht im so genannten Wertewesten, der sich als „frei“ bezeichnet. Diese Auswirkungen sind bis heute spürbar und sie haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der uns unter dem Deckmantel von Solidarität und Sicherheit diese von westlichen Politikern so oft propagierte Freiheit zu nehmen im Stande ist.
Wenn ein zur Ikone der Pressefreiheit hochstilisierter Julian Assange nach rund 5 Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh endlich als „freier“ Mann gilt, dann ist das eine große Freude für seine Familie und ihn. Es ist so schön zu sehen, wenn für ihn, seine Frau und seine Kinder nun endlich eine gemeinsame Zeit begonnen hat und Assange seinen 53. Geburtstag im Kreise seiner Familie feiern konnte. Diese Zeit möge lange, lange währen und entstandene Wunden mögen gut und dauerhaft heilen, was für alle Beteiligten sicher eine große Herausforderung ist.
Anlässlich dieses Wiegenfestes hat Unsere ZeitenWende eine Veranstaltungsreihe für Julian Assange gestartet, die an seinem Ehrentag am 3.7.24 mit einer sehr gut besuchten Vernissage begonnen hat, und die mit einer Matinee am kommenden Sonntag, 7.7. 24 um 11 Uhr fortgesetzt sowie mit einer Finnisage am Freitag, 19.7.24 ab 19 Uhr abgeschlossen wird.
Der Preis für diese Enthaftung war ein Deal, den seine Anwälte mit seiner Zustimmung mit dem US-amerikanischen Justizministerium ausgehandelt haben. Er musste sich in einem Anklagepunkt schuldig bekennen. Dabei handelt es sich um ein Vergehen nach § 793 (g) des 18 U.S. Codes, das mit 62 Monaten Haft zu bestrafen ist. Hierfür wurden ihm die Jahre in britischer Auslieferungshaft angerechnet. Das Vergehen, dessen er sich nun hatte schuldig bekennen müssen, ist das einer Verschwörung „zum Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen zum Schaden der Vereinigten Staaten oder zum Vorteil einer fremden Nation“. Zudem wurde ihm auferlegt, dass er sämtliches Material, das er diesbezüglich besitzt, vernichten müsse und die von ihm gegründete Enthüllungsplattform WikiLeaks anweisen müsse, das Gleiche zu tun. Außerdem darf er sich zu seinem Fall nicht mehr öffentlich äußern und muss Tätigkeiten wie die, für die er nun verurteilt wurde, unterlassen.
Sein persönlicher Sieg ist eine Bankrotterklärung für investigative Journalisten, die Kriegsverbrechen aufdecken wollen. Und dennoch ist gerade das der Auftrag für jede Form der Aufdeckung, nämlich nichts unter den Teppich zu kehren, sondern alles ans Licht zu bringen. Gefordert sind nun wir alle, die wir uns als Journalisten bezeichnen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben Assange in den vergangenen fast 14 Jahren, die seine Causa dauerte, unsaubere Recherche- und Veröffentlichungsmethoden vorgeworfen. Nun, sie können es jetzt besser machen als er: nämlich so, dass sie mit diesem Gesetz nicht in Konflikt kommen. Wenn das aber nicht möglich ist, was mir sehr wahrscheinlich scheint, da die Grenzen diesbezüglich sehr eng gesteckt sind, wird es wohl wieder auf die Menge jener ankommen, die sich das dennoch (zu)trauen. Denn nur dann ist die jetzt in der Medienlandschaft ausgebrochene Jubelstimmung berechtigt und rechtfertigt die Opfer, die Julian Assange gebracht hat, inklusive seines durch die Umstände erzwungenen Schuldeingeständnisses. An seine Stelle müssen nun andere treten – am besten wir alle, denen Presse- und Meinungsfreiheit wichtig ist. Der Gegenwind ist jetzt schon spürbar. So hat der ehemalige Vizepräsident der USA Mike Pence sein Unverständnis über den Deal geäußert und auch in Australiens Opposition gibt es Kritik am Einsatz des Premiers für Assange. Es sei nicht nachvollziehbar, dass dieser das Schicksal des Journalisten mit jenen von aus politischen Gründen inhaftierten Kollegen vergleiche.
Auch in der so genannten „Corona-Pandemie“ wurden freiheitsberaubende Maßnahmen gesetzt, die von der Mehrheit willfährig hingenommen wurden. Kritische Berichterstattung wurde schnell mit dem Unwort „Verschwörungstheorie“ verunglimpft. Eigenverantwortung wurde auf Eis gelegt, Solidarität mit Gehorsam überschrieben, vermeintliche Menschlichkeit auf diese Weise unmenschlich. Ein Kurswechsel ist dringend notwendig, nicht nur zurück zum Vorher, sondern in eine neue, erweiterte wirklich menschliche Dimension.
Für Politik und Bildungssystem heißt das, dass nicht nur vom mündigen Bürger gesprochen werden darf, sondern alles dafür getan werden muss, dass eine solche Mündigkeit – so unbequem sie den Herrschenden auch sein mag – auch entwickelt werden kann. Die Auswirkungen dieser Furcht der Machthaber vor Menschen wie diesen kann nämlich tatsächlich in Katastrophen enden, weil Unmündige leicht(er) zu beeinflussen sind und dadurch, wie die Geschichte zeigt, das Potential für Revolutionen – auch bewaffnete – latent vorhanden ist.
Was also ist Freiheit?
Ich möchte es mit Rosa Luxemburg sagen, die diese Worte im Rahmen ihres Gefängnisaufenthaltes auch den Kämpfern der „russischen Revolution“ an den Kopf geworfen hat:
„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit“ und „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“.
Auf diese Weise, mit diesen Worten und den daraus folgenden Taten, kann jeder von uns, also wir alle, Julian Assange seine Ehre erweisen und zeigen, dass seine übergroßen persönlichen Opfer nicht umsonst gewesen sind.
Titelbild „Die Auslöschung“ von Thomas Jantzen / www.thomasjantzen.com