Unser Herz macht uns stark – eine Mutrede an Österreich

Herz, Freiheit

FreiSein durch unsere großen Herzen

 

Wir sind das Herz Europas – nicht umsonst. Dieses wunderschöne Land ist voll von Menschen mit großen Herzen.

Wir sind ein Volk, das für Frieden steht, für den Genuss des Lebens in einem harmonischen Miteinander. Bereits unsere vergangenen Herrscher haben lieber geheiratet als Krieg geführt. Ich erinnere dabei an den landestypischen Satz: „Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich heirate“.
Warum sonst erfüllt die Neutralität unser rot-weiß-rotes Herz mit so viel Stolz?
Und warum sonst bewundern wir heute noch unsere Maria Theresia, die mit Verstand und auch immer mit viel Herz regierte? Ihre bereits damals hoch geschätzte Mütterlichkeit konzentrierte sich nicht nur auf ihre zahlreichen Nachkommen, sondern auf das ganze Volk.

Unser Gemüt ist auf Gemeinsamkeit und Freude ausgerichtet und selbst der scheinbar grantigste Mensch wird freundlich, wenn man ihm nett begegnet. Wir stoßen lieber mit einem Glas Wein an, als gegen andere in einen Wettbewerb zu treten. Dass wir in unserer Menschheitsfamilie Konkurrenten wären, musste man uns einreden, denn von selbst wären wir auf diese absurde Idee nie gekommen. Lassen wir zu, dass Rivalitäten zwischen uns erfolgreich geschürt werden, dann – und nur dann – sind wir schwach. Konkurrenzdenken trennt und wir möchten zusammenhalten, gemeinsam lachen und tanzen.

Schon oft haben wir mit kreativen Ideen, einem hilfsbereiten Gemeinschaftssinn und viel Humor schwere Zeiten überstanden. Wir haben Stolz, Tradition und Schmäh – ja, immer noch. Diese liebenswürdigen Eigenschaften sind Teil unseres Wesens und deshalb lassen wir sie uns auch von niemandem nehmen. Unser friedliches Gemüt führt uns stets zusammen. Es ist kein Zufall, dass der „Heurige“ als erholsamer Ort der Begegnung in unserem Land entstanden und nie wieder verschwunden ist. Zahlreiche Lieder aus der Vergangenheit besingen diese Gemütlichkeit.

Wir lieben die schönen Seiten des Lebens und vor allem die Kunst, denn diese lenkt auf eine beschwingte Weise unsere Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche und politische Abgründe. Wir sind das Land von Mozart und Johann Strauß. Während Mozart bekanntermaßen sein rebellisches Gemüt gegenüber gewissen Autoritätspersonen ungeniert zur Schau stellte, wissen über die aktive Teilnahme des Donauwalzer-Komponisten an der 1848er Revolution für Freiheit und Demokratie nur wenige bescheid.

Auch unsere schreibenden Künstler wurden von der Zensur oft scharf beobachtet, weil sie dem Drang nachgaben, die Wahrheit auszusprechen. Raimund und Nestroy schwiegen ebenso wenig über Ungerechtigkeiten, wie Marie von Ebner-Eschenbach oder der Pazifist Stefan Zweig.
Der Schriftsteller, Satiriker und Autor des Anti-Kriegs-Werkes „Die letzten Tage der Menschheit“, Karl Kraus, kämpfte Zeit seines Lebens besonders gegen die journalistische Lüge an. Und mit der Friedensaktivistin und Schriftstellerin Berta von Suttner haben wir sogar eine Friedensnobelpreisträgerin in unseren Reihen.

Künstler, die sich so offen gegen die herrschenden Strukturen stellen, brauchen nicht nur Mut, sondern auch viel Herz. Sie mussten mit Bestrafung und Ausgrenzung rechnen, doch waren ihre Ideologien stärker als der Druck von außen und genau dafür bewundern wir sie heute.
Lasst uns nicht vergessen, dass wir uns jetzt in einer ähnlich einschränkenden Situation befinden. Das Aussprechen der Wahrheit wird immer mehr zu einer drohenden Gefahr, ihr Verschweigen allerdings noch mehr.

Mut und Liebe sind im Überfluss vorhanden – das haben wir schon oft bewiesen. Sie sind wie Bodenschätze, die man nur (wieder) ausgraben muss und die sich niemals erschöpfen, sondern vielmehr wachsen, wenn man sie ans Tageslicht befördert.

Immer wieder hat es in unserem Land Menschen gegeben, die neue Wege gegangen sind. Ärzte und Wissenschafter wurden deshalb oft verlacht oder gar verachtet. Sigmund Freud, Gregor Mendel und Ignaz Semmelweis sind nur ein paar beeindruckende Beispiele. Sie nahmen lieber eisigen Gegenwind in Kauf, als ihren Weg zu verlassen. Heute gelten sie zu Recht als wichtige Pioniere auf ihrem Fachgebiet.
Und jetzt ist unsere Zeit. Wir haben die Chance, diese tot geglaubte Stärke wieder zum Leben zu erwecken und all das, was derzeit zerstört wird, in einer besseren und freieren Version wieder aufzubauen.

Ich behaupte, dass eine deutliche Mehrheit der österreichischen Bürger Frieden und Freiheit herbeisehnen. Man konnte uns in der langen österreichischen Geschichte nie lange spalten oder trennen, und wir werden es auch jetzt nicht zulassen. Aus der schwersten Krise erwachsen die mutigsten Taten. Der Tiroler Andreas Hofer etwa fand mit seinem Charisma und seiner Tapferkeit zahlreiche Anhänger, die er in einen unerbittlichen Freiheitskampf führte. Wir werden seine kriegerischen Methoden nicht nachahmen, aber seine selbstbewusste Sturheit, mit der er für die Freiheit eintrat, kann uns jetzt ein leuchtendes Vorbild sein.

Dieses Löwenherz haben wir „geerbt“. Denn unsere Helden gehören nicht nur der Vergangenheit an, auch jetzt stehen viele tapfer und unerschrocken auf. Unermüdlich leisten sie friedlichen Widerstand und formieren Gleichgesinnte, deren Herzen im Einklang schlagen und gemeinsam einen unüberhörbaren Ton erzeugen.

Auch der gern verschwiegene Widerstand Österreichs gegen Hitler vor dem Anschluss darf endlich einmal angesprochen werden. Trotz der ausgeklügelten Strategien und Propaganda konnte unser kleines Land fünf Jahre lang eine Machtübernahme verhindern. Doch immer wieder wird uns gesagt, wir müssten uns für unsere Vorfahren schämen und uns schuldig fühlen*. Doch wird die Schuldzuweisungskarte vielleicht auch deshalb immer wieder gezückt, um uns als Staatsbürger klein zu halten, uns Selbstvertrauen zu nehmen? Österreich ist schließlich nur der „Rest“ von einem ehemals gewaltigen Habsburgerreich – sozusagen ein übersehbarer Punkt auf der Landkarte. Aber haben wir deshalb unsere österreichische Seele verloren? Auch ein kleiner Körper kann ein großes Herz haben, das kräftig schlägt. Und jetzt ist es unsere Aufgabe, mit Frieden und Liebe im Herzen immer wieder entschieden Ja zum Leben und somit automatisch Nein zu Kontrolle und Fremdbestimmung zu sagen.

Schon oft hat sich gezeigt, dass unsere Anteilnahme nicht an den Landesgrenzen Halt macht. War ein Nachbar in Not, waren wir zur Stelle, um zu helfen**. Und auch diesmal werden wir uns nicht einkapseln, sondern unser Herz für alle öffnen und unser Licht über ganz Europa strahlen lassen, um als Einheit gegen diese Ungerechtigkeit aufzustehen. Wir sind das Herz Europas – nicht umsonst.

 

* Die Gräuel der Nazi-Zeit dürfen natürlich niemals verharmlost und relativiert werden.

** Ich erinnere an die Hilfsaktion „Nachbar in Not“ – eine österreichische Erfindung, die weltweit Beachtung und Nachahmung fand, aber nirgendwo diese Qualität erreichte.

 

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