WIR-Kraft: Freie Menschen in einer solidarischen Gesellschaft

FreiSein für die Gesellschaft der Zukunft

 

Was auf den ersten Blick wie ein unüberwindbarer Widerspruch wirkt, nämlich Individualität und Solidarität unter einen Hut zu bringen, ist nach Ansicht derer, die sich die WIR-Kraft auf die Fahnen geschrieben haben, der Ansatz für eine lebenswerte Gesellschaft der Zukunft.

„Daß ich den Dieselmotor erfunden habe, ist schön und gut. Aber meine Hauptleistung ist, daß ich die soziale Frage gelöst habe.“ So wird Rudolf Diesel zitiert, dessen Utopie des Solidarismus, die er im 1903 erschienenen gleichnamigen Buch veröffentlicht hat, die Grundlage für die WIR-Kraft ist.

Was waren nun Diesels Ideen – und wie wurden sie in der Gegenwart weiterentwickelt?

Der Grundtenor seines vor mehr als 100 Jahren erschienenen Werks zeigt nicht weniger als das Wagnis eines völlig neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwurfs. Abseits aller Gegensätze von Kommunismus und Kapitalismus, von linker Ideologie und rechter Weltanschauung setzt Diesel auf die individuelle Freiheit, auf Eigenverantwortung und die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen. Für das Überleben ist aus seiner Sicht eine menschliche Gemeinschaft notwendig, in der gemeinsames solidarisches Verhalten die Grundlage der Ordnung ist.

In seiner Analyse der wirtschaftlichen Situation seiner Zeit kommt er zum Schluss, dass sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Macht in den Händen derer liegen, die Kapital besitzen. Das führt zur unerträglichen Situation, dass die große Masse der Menschen ein Leben am Rande der oder sogar in Armut führen muss. Einkommen und durch die Unternehmer erwirtschaftete Erträge stehen einander dabei völlig unverhältnismäßig gegenüber. Diesels Analyse passt – nach ein paar Jahrzehnten des Wirtschaftswunders – durchaus auch auf die heutige Zeit und zeigt, dass das aktuelle Wirtschaftssystem offenbar im Abstand von ein paar Jahrzehnten immer wieder denselben „Output“ produziert.

Dem Bestehenden entgegen setzte er nun sein ganz pragmatisches Modell des gemeinsamen Wirtschaftens, das auf gemeinsam erarbeiteten Erfolg durch gemeinsames Wirtschaften setzt. Demnach gehören die „wirtschaftlichen Einheiten“ nicht einem Einzelnen, sondern allen, die durch gemeinsames Arbeiten zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Diese Gedanken sind uns aus dem Genossenschaftswesen – oder noch besser – aus dem Wesen der Kooperativen bekannt. Für diese Wirtschaftseinheiten wählte Diesel den Begriff „Bienenstöcke“, der bei genauerer biologischer Betrachtung dem Vergleich mit der Arbeit der Bienenvölker nicht standhält. Zusätzlich zum Eigentum für alle war es Diesel wichtig, den Mitgliedern dieser Wirtschaftseinheiten und ihren Angehörigen den notwendigen wirtschaftlichen und damit sozialen Schutz für all das zu bieten, was aus ihrem individuellen Einkommen für die geleistete Arbeit nicht angemessen aufzubringen war. Damit verbunden ist der Gedanke einer gemeinschaftlichen Vorsorge, die im Gegensatz zur heute üblichen individuellen Daseins-Vorsorge steht. Um dies zu erreichen, müssen aber alle, die nicht am Arbeitsprozess beteiligt sind, vom Profit am Unternehmen ausgeschlossen werden. Shareholdervalue adé sozusagen.

Ein weiterer ganz wesentlicher und zentraler Gedanke ist das solidaristische Kreditsystem, das Diesel parallel zu den üblichen Banken installieren wollte. Jeder Mitarbeiter bzw. jedes Mitglied trägt durch die regelmäßige Einzahlung eines minimalen Beitrages in eine Gemeinschaftskassa dazu bei, dass unabhängiges Kapital aufgebaut werden kann, aus dem dann angemessen verzinste und nach Vereinbarung zurückzuzahlende Kredite vergeben werden können.

Rudolf Diesel setzte bei der konkreten Ausgestaltung seiner Idee auf einen privatrechtlichen Gesellschaftsvertrag, der zwischen den Beteiligten ausgehandelt wird und in den von staatlicher Seite keine Eingriffsmöglichkeit besteht. Für ihn war es von höchster Bedeutung, dass durch den Solidarismus im Unterschied zum Sozialismus im Rahmen bestehender Gesetze und in friedlicher Entwicklung vollkommene individuelle Freiheit erlangt werden kann.

Akademie für WIRKRAFT

Mehr als 100 Jahre später entsteht auf Basis der Ideen von Rudolf Diesel in Deutschland der Verein „Akademie für WIRKRAFT e.V.“ und in Österreich das „Wirkraft Institut“. Initiator ist der Arzt und Autor Heiko Schöning, der später in den „Pandemiejahren“ als „Maßnahmenkritiker“ aufgetreten ist. Was auch nicht verwundert, wurden dadurch doch die Überlegungen Diesels mit Füßen getreten und das Individuum entmachtet und der Gedanke der Solidarität mitunter sogar pervertiert.

In einem Leitfaden auf der Website werden die Ziele der WIRKRAFT erläutert. „Im Zentrum stehen WIRKRAFT-Unternehmen, in denen WIR-Mitarbeiter nach den im Folgenden beschriebenen Prinzipien arbeiten. WIR-Mitarbeiter bilden zusammen mit den Kunden und Unterstützern der WIRKRAFT-Unternehmen die Gemeinschaft der WIR-Bürger“, heißt es da. Als Prinzipien werden genannt: Nachhaltigkeit und Bedarfsorientierung, Gemeinwohlorientierung und eigenverantwortliches Handeln, Solidarität und Wertschätzung, Kooperation und Selbstbestimmung sowie Kommunikation auf Augenhöhe, Wissen teilen und Transparenz.

Im Fazit wird von der durch den WIRKRAFT-Gedanken ermöglichten Veränderung im bestehenden wirtschaftlichen Umfeld gesprochen. „Die wesentlichen Unterschiede der WIRKRAFT zu allen anderen Arten zu wirtschaften, sind gelebte Transparenz und Subsidiarität. Das heißt, Entscheidungen werden von den Menschen gefällt, die selbst von den Auswirkungen betroffen sind.“

Im Gegensatz zu Diesel wird der Gleichrangigkeit aller Akteure eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Während der Gründer des Solidarismus in hierarchischen Strukturen dachte, sind die Akteure der WIRKRAFT stark an einem Miteinander auf Augenhöhe – und zwar in allen Gesellschaftsbereichen – orientiert. Der Vision zufolge, die den Abschluss des Leitfadens bildet, sollen letztlich alle für eine Gesellschaft relevanten Segmente nach und nach durch die Kraft des Wir nachhaltig verändert werden. Und dabei geht man dann auch noch einen Schritt weiter als sich das Rudolf Diesel jemals ausgedacht hat: „Mit zunehmender Ausbreitung der WIRKRAFT“ nämlich, so heißt es „sind weitergehende Ideen vorstellbar, die sonst nur über hohe Hürden realisierbar wären: beispielsweise ein faires Geben und Nehmen, die soziale Dreigliederung oder eine interne Rechtsprechung unter dem Dach der WIRKRAFT.“

Die Vereinsmitglieder kommen zum Austausch in so genannten WIR-Kreisen zusammen, die Visionen zu den Bereichen wie Architektur, Bildung, Schöpfung und Verständigung erarbeiten. Auch die  Entwicklung eines „WIR-Phones“ in Zusammenarbeit mit einem Hersteller, der auf faire Produktionsbedingungen und Nachhaltigkeit achtet, ist geplant. Entstehen soll dabei ein Smartphone mit einem google-freien Betriebssystem und einer WIR-App.

Um sich ganz praktisch mit dem Konzept auseinandersetzen zu können, wurde vor kurzem auch ein Brettspiel entwickelt, das einem die Grundsätze und Grundgedanken der WIRKRAFT nahebringt. Und vom 30.9. -3.10.23 findet in der Mitte Deutschlands ein Planspiel statt, in dem ein klassisches Unternehmen in ein solches nach den Vorstellungen von Rudolf Diesel und seiner Nachfolger umgewandelt werden soll.

 

Höre auch unseren Podcast zum Thema WIR-Kraft.

 

Quellen für diesen Beitrag:

https://www.genossenschaftswelt.de/wp-content/uploads/2017/06/Solidarismus_Rezension.pdf

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1096609.solidarismus-mit-der-volkskasse-zur-unabhaengigkeit.html

https://wirkraft.org/leitfaden

Rudolf Diesel: Solidarismus – Natürliche wirtschaftliche Erlösung des Menschen; ISBN 978-3-87512-416-3

 

Weitere Infos zum Thema:

Wirkraft Institut Wien: https://www.wirkraft-institut.net/

https://wirkraft.org/

https://t.me/wirkraft_offiziell

https://apolut.net/m-pathie-mike-ahrend/

https://radio-berliner-morgenroete.de/wirkraft-startet-planspiel-fuer-mitarbeiter-gefuehrtes-unternehmen/

 

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