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Durch beherztes Handeln die Welt verändern – zum Jahrestag von Julian Assanges Freilassung

FreiSein durch den Mut zur Wahrheit

 

Am 25. Juni 2024 wurden zwischen Freiheitsaktivisten überall auf der Welt Nachrichten mit folgendem überraschenden Inhalt versendet: Assange ist frei!
Noch am Vortag hätte niemand gedacht, dass der Investigativ-Journalist und WikiLeaks-Gründer Julian Assange im Mai 2025 anlässlich der Premiere des Dokumentarfilms „The Six Billion Dollar Man“ beim Filmfestival in Cannes persönlich anwesend sein würde. In etwas mehr als zwei Stunden widmet sich dabei der Filmemacher Eugene Jarecki der von ihm so genannten Assange Saga, die den Weg des Journalisten von der Gründung seiner Enthüllungsplattform im Jahr 2006 über seine Verhaftung im Jahr 2019 bis zu seiner Freilassung Ende Mai 2024 zeigt. Dafür bekam Jarecki sogar Zugang in die Archive von WikiLeaks.

Assanges „Pyrrhussieg“

Assange wäre nicht Assange, wenn er den Event nicht dazu genutzt hätte, eine Botschaft in die Welt zu setzen. Er trug dabei ein T-Shirt, auf dem am Rücken die Worte „Stop Israel“ und auf der Vorderseite die Namen von im Gaza-Streifen getöteten Kindern zu sehen waren.

Der Deal, der ihn vor einem Jahr aus seiner mehrjährigen Isolationshaft aus dem britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in die Freiheit führte, war einerseits hart erkämpft und hatte andererseits so manche Härte. Zum einen musste er sich gem. § 793 (g) des 18 U.S. Codes im Anklagepunkt einer Verschwörung „zum Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen zum Schaden der Vereinigten Staaten oder zum Vorteil einer fremden Nation“, die mit 62 Monaten Haft zu bestrafen ist, schuldig bekennen. Hierfür wurden ihm die Jahre in britischer Auslieferungshaft angerechnet. Auferlegt wurde ihm zudem, sämtliches Material, das er diesbezüglich besitzt, vernichten zu müssen und die von ihm gegründete Enthüllungsplattform WikiLeaks anzuweisen, das Gleiche zu tun. Auch darf er sich zu seinem Fall nicht mehr öffentlich äußern und muss Tätigkeiten wie die, für die er nun verurteilt wurde, unterlassen. Was medial als Erfolg für die Pressefreiheit gefeiert wurde, war nicht mehr als ein Pyrrhussieg. Es ist wunderbar, dass der Verurteilte nun sein weiteres Leben in Freiheit im Kreis seiner Familie genießen kann, er selbst weiß aber ganz genau, was sein erzwungenes Eingeständnis für den seit Beginn seiner Odyssee durch ein verqueres Rechtssystem stark eingeschüchterten und mittlerweile zur Selbstzensur neigenden Journalismus bedeutet.

Das Imperium schlägt zurück

Begonnen hatte alles im Juli 2010 mit Assanges Entschluss (Unsere ZeitenWende berichtete), als geheim klassifiziere Dokumente zu veröffentlichen, die Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte im Irak-Krieg belegen sollten. Es gelang ihm, so renommierte Medien wie die New York Times, den Guardian, den Spiegel, Le Monde und El País für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Der Gegenschlag, der auf diese Weise bloßgestellten „Nation der Freiheit“ folgte auf dem Fuß. Knapp mehr als ein Monat später wurde Assange mit einer Schlagzeile der schwedischen Boulevardzeitung Expressen konfrontiert, in der ihm Vergewaltigung vorgeworfen wurde. Damit begann sich das atemberaubende Karussell einer Verschwörung gegen den Aufdecker selbst zu drehen. In diesem sah sich anfangs auch Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter für „Folter und andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Bestrafung“, gefangen, der 2018 von Assanges Anwälten von Berufs wegen mit der Untersuchung des Falles betraut wurde. Er hatte, so schreibt er in der Einleitung seines im Jahr 2021 veröffentlichten Buches „Der Fall Julian Assange“, keine Lust, sich für „diesen zwielichtigen Hacker mit Lederjacke und weißen Haaren, der sich wegen Vergewaltigungsvorwürfen in irgendeiner Botschaft versteckte“ einzusetzen. Drei Monate später begann er, seine Meinung zu revidieren, was letztlich zur besagten Veröffentlichung führte, die wohl als wesentlicher Baustein für die Freilassung des Inhaftierten diente. Dadurch musste auch er jede Menge Verunglimpfungen und sogar Diffamierungen erfahren, denn wie heißt es so schön: „Das Imperium schlägt zurück“.

Die Unterstützung wächst

Ausgelöst durch Melzers Buch beginnt die weltweite Unterstützung – allerdings nicht in Journalisten-Kreisen – zu wachsen. Assange werden im April 2019, nach Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London, auf Druck der USA auf den neugewählten Präsidenten Ecuadors, plötzlich Staatsbürgerschaft und Asylrecht entzogen, wodurch er zur Verhaftung durch die britischen Behörden „frei gegeben“ wurde. Gleichzeitig wird Großbritannien durch die USA ein Auslieferungsantrag für Assange übermittelt.

In immer mehr Ländern entstehen daraufhin Aktivisten-Gruppen, die sich auf vielfältige Weise für die Freilassung des Journalisten einsetzen. Auch juristisch kämpfen seine Anwälte, darunter Stella Morris, die Mutter seiner Kinder und seit 2022 seine Frau, an verschiedenen Fronten für ihn. Vor allem soll die Auslieferung in die Vereinigten Staaten verhindert werden, wo ihm eine über sein Leben hinausgehende 175-jährige Haftstrafe droht. Die Aussichten für Assange verschlechtern sich, ebenso sein psychischer und physischer Gesundheitszustand. Und auch die einst an seinen Veröffentlichungen so interessierten Medien schweigen bzw. sind nicht bereit, mit Nils Melzer zusammen zu arbeiten.
So ist es letztlich den vielen Organisationen und Menschen zu verdanken, die in den Stunden der Verhandlungen über eine Auslieferung von Assange sowohl vor dem Gerichtsgebäude in der britischen Hauptstadt, als auch an vielen anderen Orten auf der Welt auf die Straße gingen und so weiter öffentlichen Druck auf die Behörden aufbauten. Im Hintergrund konnten die Anwälte in Verhandlungen mit den USA das ihre dazu beitragen, dass es im Vorjahr dann endlich zum anfangs beschriebenen Deal kam.

Die Fesseln der Freiheit

Die Einschränkungen, denen Assange darin zugestimmt hat, scheinen dem neutralen Beobachter schwerwiegend, so schwerwiegend, dass man von mancher Seite auch von einem Einknicken des Inhaftierten sprach. Tatsächlich aber sind jene eingeknickt, deren Unterstützung er besonders bedurft hätte, nämlich die Medien (Unsere ZeitenWende berichtete). Mit deren Unterstützung wäre eine frühere Freilassung sicher möglich gewesen.

In seinem ersten öffentlichen Auftritt am 1. Oktober 2024 vor dem Ausschuss für Rechtsfragen und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) dankt Assange all jenen, die sich für seine Freilassung eingesetzt haben. Weiters stellt er klar, dass Gerechtigkeit nun für ihn ausgeschlossen sei, „da die US-Regierung in der schriftlichen Einverständniserklärung darauf bestanden hat, dass ich keine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen kann. Ich darf auch keinen Antrag in Zusammenhang mit dem Gesetz auf Informationsfreiheit stellen, um die Folgen ihres Auslieferungsantrags für mich zu untersuchen.“ Und er hält ein Plädoyer für grundlegende Veränderungen des Systems zum Schutz von Journalisten, damit diese nicht in die gleiche Lage wie er kämen bzw. durch das an ihm statuierte Exempel nicht davon abgehalten werden, die Wahrheit zu berichten. Und so fordert er auch PACE auf zu handeln. „Die Kriminalisierung von Aktivitäten zur Nachrichtenbeschaffung ist überall eine Bedrohung für den investigativen Journalismus. Ich wurde von einer ausländischen Macht offiziell verurteilt, weil ich während meines Aufenthalts in Europa wahrheitsgetreue Informationen über diese Macht einholte und veröffentlichte. Der Kernpunkt ist einfach: Journalisten sollten nicht für die Ausübung ihrer Arbeit strafrechtlich verfolgt werden. Journalismus ist kein Verbrechen. Er ist eine Säule einer freien und informierten Gesellschaft.“
(gesamte Rede auf Deutsch)

Wir alle sind gefordert

Das öffentliche Interesse an Julian Assange ist seither wieder abgeebbt, auch sind bislang keine weiterführenden Bemühungen von Seiten PACEs bekannt. Das Umfeld von Julian Assange bemüht sich weiterhin um seine vollständige Rehabilitierung, zumindest auf den Wegen, die durch den Deal nicht ausgeschlossen wurden. Denn bei einem Vergehen gegen diese Vereinbarung droht Assange eine neuerliche Inhaftierung bzw. Auslieferung in die USA, in deren politischen Kreisen durchaus Unverständnis für dessen Freilassung herrscht. Für den ehemaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence etwa ist es nicht nachvollziehbar, dass das Schicksal des Journalisten mit jenen von aus politischen Gründen inhaftierten Kollegen verglichen werde.

Angesichts solcher Aussagen ist es wichtig zu erkennen, dass es die Mächtigen sind, nämlich „Regierungen, Unternehmen oder Organisationen, die unsere rechtsstaatlichen Organisationen aushebeln; die sich weigern, Folter, Kriegsverbrechen und Korruption zu verfolgen; die unsere Rechtsordnungen und Wertegemeinschaften verraten, um ihren Eigeninteressen zu dienen.“ So schreibt es Nils Melzer in seinem Buch, und bei genauerer Betrachtung der aktuell herrschenden Ereignisse in der Welt können wir erkennen, dass es den Verantwortlichen um das Statuieren von Exempeln geht, um jene mundtot zu machen, die „über die tatsächlichen Ausmaße dieser Missbräuche“ informieren.

Folgen wir Melzers Appell, mit dem er seine Ausführungen zum Fall Assange schließt: 
„Genau wie Julian Assange kann jeder und jede von uns durch beherztes Handeln die Welt verändern. Um die Dunkelheit zum Verschwinden zu bringen, genügt es, dass wir unser eigenes Licht dort erscheinen lassen, wo wir gerade sind, und so, wie wir es gerade können. Alles, was wir dazu brauchen, ist Mut zur Ehrlichkeit mit uns selbst und mit der Welt.“ Sein Wort in unser aller Ohr.

 

Bild: Julian Assange beim Filmfestival in Cannes 2025 bei der Premiere des Filmes „The Six Billion Dollar Man“
Bildcredit: Kacy Bao, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/, via Wikimedia Commons

 

Weitere Informationen zu Julian Assange auf Unsere ZeitenWende

 

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